Die Mieten steigen und die Hauspreise explodieren. Schuld daran sind nicht nur Wohnkonzerne und Bauunternehmer. In drei Bereichen macht vor allem der Staat das Wohnen teuer.
Was machen Bund, Länder und Kommunen nicht alles, um mehr Menschen zu eigenem Wohnraum zu verhelfen: Quoten für Sozialwohnungen, Baukindergeld, Mietpreisbremse –und doch: die Mieten steigen, die Nebenkosten explodieren und Häuser sind kaum noch bezahlbar.
Schuld daran sind nicht nur gewinnsüchtige Vermieter oder geldgierige Bauunternehmer. Meistens ist der Staat selbst, der das Wohnen mit Abgaben und Normen teuer macht und mitkassiert. Meine hr-Recherchen zeigen: Es gibt Nachholbedarf vor allem in drei Bereichen.
1. Die Mehrwertsteuer auf Miet-Nebenkosten
Bei Mietern schlagen vor allem die Mietnebenkosten zu Buche. „Wir reden hier oft schon von einer doppelten Miete“, sagt Regina Kamm vom Mieterbund Darmstadt.
Bei Sofie und Daniel Passmann rechnen wir einmal nach. Das Pärchen wohnt zur Miete in Darmstadt. Größter Preistreiber bei ihnen: Die Standard-Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Addiert man alle Posten, auf die diese Steuer anfällt, ergibt sich eine jährliche Abgabenlast von fast 300 Euro – zwei Drittel einer Monatsmiete.
„Eine Lösung wäre die Absenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent – wie bei lebensnotwendigen Lebensmitteln und Wasser“, sagt Regina Kamm vom Mieterbund. Die Passmanns könnten dann 200 Euro Miet-Nebenkosten pro Jahr sparen und damit deutlich günstiger wohnen.
2. Steuern machen Eigenheimförderung unwirksam
Immer weniger junge Deutsche leisten sich ein Eigenheim, weil sie es trotz günstiger Zinsen kaum finanzieren können. „Wir haben mittlerweile eine Vielzahl von Förderungen, aber der Staat greift auch mächtig zu bei den Steuern und Gebühren“, sagt Kai Warnecke von Haus und Grund Deutschland.
Bei den Schmidts, einer dreiköpfigen Familie aus Friedberg (Hessen), schauen wir uns das genauer an: Bei den Gesamtkosten in Höhe von knapp 600.000 Euro schlägt der Staat vor allem bei der Mehrwertsteuer, den Grundbuch- und Notarkosten sowie der Grunderwerbssteuer zu – insgesamt gut 79.000 Euro. Die Grundbuchkosten und die Grunderwerbssteuer der Schmidts zusammen entsprechen sogar in etwa der Fördermenge für das neu geschaffene Baukindergeld.
„Es ist ein ganz klares Signal, hier müsste man reduzieren und die Förderungen anpassen um das Bauen auch wieder bezahlbar zu machen“, sagt Kai Warnecke.
3. Baunormen sorgen für hohe Zusatzkosten
Jedes Bundesland leistet sich eine eigene Bauordnung. Zudem sind insgesamt über 3000 Normen zu beachten – und es werden ständig mehr. Neu dazu kommen vor allem Brandschutzregeln, Lärmschutzrichtlinien oder auch Energievorschriften. Zum Beispiel zum richtigen Dämmen oder Isolieren der Wände „Die Standards sind soweit erhöht worden, dass das Bauen kaum mehr bezahlbar ist und sich der Wohnungsbau immer mehr an Hocheinkommensbezieher richtet“, so Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.
Er sagt: „Wenn wir uns an Vorbildern orientieren wollen, sollten wir den Blick in die Niederlande richten. Die Niederländer haben es geschafft, die Bauordnung zu reformieren und die Baukostenentwicklung wirklich zu stoppen.“
Niederlande als Vorbild
Wir vergleichen Deutschland und die Niederlande. Bei Familie Hoogeboom in Rotterdam zeigt sich: Dank der Reformen mussten sie für ihr Reihenhaus nur gut 900 Euro an Grundbuch- und Notarkosten an den niederländischen Staat zahlen. Bei Neubauten fällt keine Grunderwerbssteuer an. Die Hoogebooms sagen: „Wir sind glücklich, dass wir so entspannt bauen konnten.“
Diese Recherche wurde gesendet bei plusminus am 29.05.2019 um 21:45 Uhr im Ersten und bei hr-iNFO am 29.05.2019 um 12 Uhr.