Fliegen – das ist Frankfurt. Doch die Pandemie sorgt für ordentlich Gegenwind. Eine Peilung der Lage am Flughafen Frankfurt Rhein-Main und die Gründe, die für einen schnellen Aufwind sprechen könnten.

Wir sind bei LUG aircargo handling in der Cargo City Süd. Von hier aus schicken sie im Jahr  2,5 Mio. Tonnen  Fracht in die Welt. Für dieses Jahr hatten sie wegen der  Schwächelnden Weltwirtschaft  eigentlich mit einem Rückgang gerechnet.

„Die Fracht funktioniert nur noch in Frankfurt“

Doch dann kamen Corona und so viele Aufträge wie seit langem nicht, sagt Patrik Tschirch. „In Deutschland ist die Fracht eigentlich zum Erliegen gekommen. Der einzige Standort der noch funktioniert hat und es jetzt auch noch tut: Es ist Frankfurt.“

Das liegt am Standort im Herzen von Deutschland und Europa. Jetzt, wo viele Airlines nur nach Frankfurt fliegen, führen auch die Vor- und Nachläufe per LKW direkt zum Frankfurter Flughafen und zu den dortigen Frachtdienstleistern.

16 bis 30 Prozent mehr Fracht hatten sie deshalb alleine hier bei LUG zu bewältigen – bei gleichen Kapazitäten und gleicher Belegschaft. Damit ist das Luftfrachtgeschäft auch für den Flughafenbetreiber Fraport ein wichtiger Stützpfeiler in der Krise.

Airlines profitieren von der Fracht

Die starke Fracht am Standort Frankfurt kann aber auch den Airlines beim Neustart helfen, sagt Max Philipp Conrady, Leiter Fracht bei der Fraport AG.

„Wenn ich als Airline erstmals wieder verschiedene Flüge im Markt wieder anbiete, dann mache ich das an Standorten, an denen ich aufgrund der Fracht schon mal ein bisschen Deckungsbeitrag sicher habe“, so Conrady.

Dagegen ist die Lage im Passagiergeschäft alarmierend.  2019 zählte der Flughafen im Schnitt noch mehr als 1,3 Millionen Fluggäste pro Woche. Vergangene Woche waren es gerade mal 160.000, also nur noch 11 Prozent davon – zu wenig für einen wirtschaftlichen Flughafenbetrieb.

Schrumpfkurs im Passagiergeschäft

Hier bei Condor sind sie froh, nach dem Absprung der polnischen LOT als Retter überhaupt noch fliegen zu können – und sie haben sich auf die neue Normalität eingestellt, sagt Marco Nickel von Condor in Frankfurt.

„Das Boarding dauert jetzt natürlich länger. Wir lassen nun mit maximal acht Gästen gleichzeitig einsteigen, warten, bis die Gäste aus der Brücke dann ins Flugzeug eingestiegen sind. Und erst dann gehen die nächsten acht Gäste an Bord“, so Nickel.

Doch zur neuen Normalität gehören auch rückläufige Passagierzahlen, Schrumpfkurs und Stellenstreichungen. Condor streicht 1000 Arbeitsplätze. Sunexpress Deutschland mit seinen 1200 Mitarbeitern stellt den Betrieb ganz ein.

Ängste und Optimismus

Und bei der Lufthansa ließen die Aktionäre den Staat erst nach deutlichen Zugeständnissen der Gewerkschaften als Retter an Bord. Trotzdem bleibt Daniel Flohr von der Flugbegleitergewerkschaft UFO optimistisch.

„Frankfurt wird ein wichtiger Standort bleiben im Luftverkehr, in Deutschland, aber auch im internationalen Luftverkehr“, so Flohr. „Man kann nicht die Infrastruktur, die hier gewachsen und aufgebaut ist, einfach an einen anderen Standort verlagern.“

Wie lange bleibt der Luftfahrtstandort Rhein-Main am Boden? – eine Frage, die auch heute Abend für viele Menschen bei der hr-Aktion „Wir hören dich“ ein Thema war, sagt Frank Statzner vom hr-Hörfunk.

„Da wird damit gerechnet, dass es natürlich Insolvenzen geben wird, auch im Raum Rhein-Main und dass es zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit kommen wird. Und keiner kann ja heute sagen, wie lange das andauert“, sagt Statzner.

 

Hoffnungsschimmer am Horizont

Constantin Beck von der Arbeitsagentur am Flughafen sieht einen ersten Hoffnungsschimmer. Er registriert wieder erste freie Stellen – trotz der zu erwartenden Flaute. „Die Wirtschaft signalisiert uns: wir sind 2023, womöglich erst wieder auf dem Stand, wo wir vor Corona waren“, sagt Beck.

Das bedeutet, dass es durchaus auch Durststrecken am Airport geben wird, in den nächsten Jahren. Mittel- und langfristig glauben sie aber auch, dass der Airport Frankfurt wieder, die schlagende Herzkammer der Wirtschaft der Metropolregion Rhein-Main wird.

Und in einem sind sich alle einig: Die Luftfahrt in Rhein-Main wird sich verändern. Doch wie kann er aussehen, der Luftverkehr der Zukunft? Der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir formuliert seine ganz klare Vision.

Hessischer Verkehrsminister: „Künftig weniger Masse und Billig“

„Aus meiner Sicht wird die Zukunft sein, nicht mehr Masse, Masse, Masse und billig, billig, billig, sondern es geht schlicht darum, dass man am Ende Konnektivität sicherstellt, dass heißt Verbindungen in alle Richtungen auch weiterhin hat“, sagt Al-Wazir.

„Natürlich muss man auch diesen Standor für die Region nutzen. Aber es wird nicht mehr so sein, dass man quasi ein immerwährendes Wachstum erlebt, sondern es wird eine ziemlich lange Zeit brauchen, bis man den Stand von vor Corona wieder erreicht hat.“

Al-Wazir erwartet: Mehr Bahn – vor allem auf den kurzen Strecken unter 400 Kilometern. Und weniger Billigflieger in Frankfurt.

Der Beitrag über Lage und Zukunft am Luftfahrtstandort Frankfurt lief am 01.07.2020 um 20:15 Uhr bei „mex – das marktmagazin“ im hr-fernsehen.