Die Fairness entlang der gesamten Lieferkette gewährleisten – das fordert das geplante Lieferkettengesetz von Unternehmern und Unternehmen. Die einen sagen: unmöglich. Andere sagen: machen wir schon seit Jahren.

Ob Tanks, Rohre oder dieses spezielle Teil für den nahtlosen Einbau einer Windschutzscheibe – dass ihnen bei Elkamet in Biedenkopf in Sachen Kunststofftechnik keiner was vormacht, ist vor allem ein Erfolg der Mitarbeiter.

Funktionierende Lieferketten schaffen globale Champions

„Wir stellen hier Artikel her, die haben ein gewisses Alleinstellungsmerkmale. Und die lassen sich von hier aus weltweit exportieren. Das macht die Leute schon stolz und zufrieden“, sagt Eberhard Flammer, der Geschäftsführer von Elkamet.

Elkamet ist ein echter globaler Champion: 144 Mio. Euro Umsatz erwirtschaften die Hessen 2018 mit ihren 1200 Mitarbeitern an sechs Standorten in Hessen, Tschechien, den USA und China.

Die Basis dafür: funktionierende Lieferketten – von den Vorprodukten bis hin zum Weiterverkauf. Doch gerade deswegen bereitet ihnen eine neue Gesetzesinitiative große Sorgen – das geplante Lieferkettengesetz, das Unternehmen zur Kontrolle ihrer Zulieferer verpflichten und für Menschenrechtsverstöße haftbar machen soll.

„Kontrolle der gesamten Lieferkette ist kaum leistbar“

„Wir kaufen hier etwa 30.000 Artikel ein, die etwa zwischen drei und fünf Vorlieferstufen haben, also müssten wir  bis zu 150.000 Wertschöpfungsstufen und -orte kontrollieren und auditieren und untersuchen. Das ist so nicht leistbar“, sagt Flammer.

Dabei hat das geplante Gesetz durchaus seine Relevanz: Noch immer entstehen viele Vorprodukte in Kinderarbeit, zu Hungerlöhnen oder ohne Arbeitsschutz. Auf Initiative der Vereinten Nationen forderte Deutschland bereits vor vier Jahren von den Unternehmen eine Selbstverpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte ein.

Entwicklungsminister will Unternehmen zur Einhaltung von Standards verpflichten

Doch weil sich laut Umfragen nur knapp 20 Prozent der Unternehmen daran halten, wollen der Arbeits- und Entwicklungsminister nun das Gesetz, das auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbart ist.

„Wir stellen fest, dass es ohne Druck und Zwang eben nicht funktioniert… der gesetzliche Rahmen wird Firmen dazu verpflichten führen, gesetzliche Standards nachzuweisen“, sagt Entwicklungsminister Gert Müller (CSU).

Gute Gründe für Unmut in der Wirtschaft

Deutschlandweit wären 7000 Unternehmen betroffen – in Hessen müssten sich nach Schätzungen der Industrie und Handelskammer 800 Unternehmen nach zertifizierten Zulieferern umschauen. Und genau das ist es, was in der Wirtschaft für großen Unmut sorgt, erklärt uns Mirko Kremer von der Frankfurt School of Finance and Management.

„Wenn man einen Zulieferer sucht, der zertifiziert ist, wird der teuerer werden. Und jetzt kommt der entscheidende Punkt – die Ketten sind lang, das heißt Transparenz zu schaffen, Sichtbarkeit in die Lieferkette hinein ist extrem kostspielig, weil Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Unternehmer ganz wenig über den direkten Zulieferer wissen. Da muss man gar nicht anfangen über den Zulieferer des Zulieferers zu reden.“, so Kremer.

Hessnatur kennt seine Zulieferer genau

Dass es auch anders geht zeigt das Butzbacher Modelabel Hessnatur. Seit über 40 Jahren verkaufen sie schon ethisch einwandfrei hergestellte Kleidung – wie hier in ihren Frankfurter Laden. Das geht,  eben weil sie ihre Zulieferer und die Lieferketten ganz genau kennen.

„Die langjährigen Beziehungen sind das eine A&O, aber auch das Engagement in Projekten, wir haben zum Beispiel sowohl in Hessen in Deutschland arbeiten wir mit Landwirten zusammen, die Flachs anbauen für Leinenprodukten, seit vielen Jahren, aber auch in Nepal haben wir ein Sozialprojekte mit dem wir arbeiten.“, sagt Kristin Heckmann, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Hessnatur.

Neue gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Fairness und Sozialstandards

Durch die neue gesellschaftliche Aufmerksamkeit für fair hergestellte Produkte und das geplante Lieferkettengesetz fühlen sie sich hier bei Hessnatur in ihrem Weg bestätigt, so Heckmann.

„Unsere Arbeitsweise zeigt im Grunde theoretisch, dass es kein Lieferkettengesetz braucht. Praktisch ist es aber eben tatsächlich so, dass die Klimakrise, die fehlenden Sozialstandards und auch wirklich eklatante Missstände zeigen auf der anderen Seite, dass Freiwilligkeit eben nicht mehr ausreicht“, sagt Heckmann.

Die Lieferketten nachvollziehen, die Zulieferer verstehen, sie als Partner sehen – Hessnatur geht einen Weg, der Schule machen könnte – als Vorbild für alle, die ihre Lieferketten bereits ohne Gesetz ein Stück menschlicher machen wollen.

Dieser Film zum Thema „Lieferkettengesatz“ lief bei „mex – das Marktmagazin“  am 26.08.2020 um 20:15 Uhr im hr-fernsehen.